Der Dialog mit Journalisten sollte auf einer Vertrauensbasis stattfinden. Wer hinterher darum bittet, Texte gegenlesen zu dürfen, zerstört womöglich diese Basis. Foto: Gerd Altmann/pixelio.de

Der Dialog mit Journalisten sollte auf einer Vertrauensbasis stattfinden. Wer hinterher darum bittet, Texte gegenlesen zu dürfen, zerstört womöglich diese Basis. Foto: Gerd Altmann/pixelio.de

Darf man Journalisten darum bitten, ihre Texte vor Veröffentlichung zur Autorisierung zu schicken? Das war die spannende Diskussion gestern Abend bei meinem Vortrag über Pressearbeit beim Gründertreff Osnabrück. Darf man das mit der Begründung, man möchte dem Journalisten nur helfen, damit die Fakten im Text alle stimmen?  Darf man das, weil man schonmal schlechte Erfahrungen mit Journalisten gemacht hat?

Nein!  Es gibt kaum ein Thema, bei dem Journalisten allergischer reagieren. Schließlich erweckt solch eine Bitte den Eindruck, ich traue ihm nicht. Ich glaube nicht, dass er es schafft, die Materie, die ich ihm vermittele, korrekt darzustellen.

Aber genau das ist der Job der Journalisten. Sie erklären uns die Welt, so dass es möglichst jeder versteht. Das mag in dem einen oder anderen Fall stark vereinfacht sein. Sicherlich gibt es auch Journalisten, die etwas nicht verstehen und dann falsch berichten – aber das liegt dann vielleicht daran, dass ich ihnen das Thema vorher nicht richtig vermittelt habe.

„Bei einem guten Vertrauensverhältnis zu einem Journalisten kann man darum bitten, den Text auf fachliche Fehler hin zu prüfen“, entgegnete mir ein Diskussionsteilnehmer. Damit habe er bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Da kann ich nur sagen: Glück gehabt. Die meisten Journalisten, die ich kenne, würden solch einer Bitte niemals entsprechen. Und sie würden sich gleichzeitig ärgern darüber, dass ihnen nicht zugetraut wird, den Sachverhalt korrekt darzustellen. Möglicherweise würde dadurch ein eben erst aufgebautes Vertrauensverhältnis wieder zerstört. Von der grundgesetzlich verbrieften Pressefreiheit möchte ich gar nicht erst reden.

Wer möchte schon eine Journalisten verärgern, wenn der doch über ihn berichten will?

Stattdessen rate ich dazu: Schreibt die komplizierten Fakten alle auf einen Waschzettel, den ihr zusammen mit der Pressemitteilung dem Journalisten in die Hand drückt. Am besten sollte darauf alles so einfach wie möglich erklärt sein. Das minimiert die Fehlerquote enorm. Und so punktet man auch beim Redakteur. Er freut sich, dass er nochmal alles zum Nachlesen mit in die Redaktion nehmen kann.

Einzige Ausnahme sind Wortlautinterviews. Dabei ist es durchaus üblich – wenn auch nicht rechtlich verankert – dass man das Interview autorisiert. Aber auch hier bitte nur vorsichtig davon Gebrauch mache und auf keinen Fall Fragen streichen oder hinzufügen. Die Praxis, welcher Schindluder mit Interviews betrieben wird, beschreibt Bascha Mika (ehemalige Chefredakteurin der taz):

So versuchen Politiker und ihre Mitarbeiter bereits bei den Vorgesprächen ganze Fragenkomplexe für sakrosankt zu erklären. Oder sich mitten im Gespräch einzelne Fragen zu verbitten. Sie scheuen auch nicht davor zurück, massiv in die Rechte des Journalisten einzugreifen und bei der Autorisierung in die Fragen hineinzuredigieren oder Fragen im Nachhinein komplett zu streichen. Inhaltlich wird das größte Schindluder mit den Antworten getrieben. Da wird abgeschwächt, korrigiert, geschönt, geglättet und über das erträgliche Maß hinaus umgeschrieben, bis von den Aussagen des Ursprungstextes und vom Dialogverlauf nur noch Stummel stehen bleiben.

Was ist eure Erfahrung mit Autorisierungen? Habt ihr schonmal darum gebeten?


Stefan Freiwald

Stefan Freiwald ist Inhaber von Freiwald Kommunikation - Büro für Journalismus, PR und Marketing in Vechta. In diesem Blog berichtet er aus seiner Erfahrung als Agenturchef und Journalist.

2 Kommentare

Lisa F. · 12. Oktober 2012 um 10:26

Guten Tag. Ich habe zwar noch nie um Autorisierung gebeten, aber ich wurde neulich danach gefragt. Für ein Internet-Portal schreibe ich Reportagen über Freizeiterlebnisse und so kam es letztens, dass die Pressevertreterin mich bei der Akkreditierung um folgendes bat: „Bitte senden Sie mir den Bericht zum Absegnen zu.“ Das war für mich absolut neu und hat mich sehr verärgert, denn schließlich versuche ich neutral zu berichten und anderen Menschen meine Eindrücke näher zu bringen und keine Werbung zu schreiben… Ich möchte die Dame vor der Show nächste Woche darauf ansprechen, allerdings weiß ich noch nicht genau, wie ich meine Verärgerung über den geplanten Eingriff in meine Presse- und Meinungsfreiheit in Worte fassen soll. Hätten Sie dort einen Rat?

    Stefan Freiwald · 12. Oktober 2012 um 10:40

    Hallo Lisa F.,
    ich würde einfach die Dame freundlich darauf hinweisen, dass Sie grundsätzlich so etwas nicht machen. Ausnahmen seien leider nicht möglich. Sie können argumentieren, dass sie sich auch keine Sorgen machen muss, dass etwas falsch wiedergegeben wird, denn schließlich arbeiten Sie ja gewissenhaft und gründlich. Ein Verweis auf die Pressefreiheit könnnte dann – wenn Sie es immer noch nicht einsieht – folgen. Sollten Sie zu Ihren Bedingungen nicht in die Show kommen, müssen Sie auf eine Berichterstattung verzichten. Aber das ist sicherlich nicht im Sinne des Veranstalters.

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